Homeoffice und Digitalisierung sind in vielen Unternehmen plötzlich Alltag. Dennoch hinken die Personalabteilungen in puncto Digitalisierung häufig noch hinterher. Die IT-Experten Michael Buttmann und Christian Schmitz erläutern im Gespräch, worauf es jetzt für den Bereich Human Resources ankommt und welche Technologien zukunftsweisend sind.
Mit Digitalisierung den Schwenk zur modernen Arbeitswelt gestalten
Norderstedt, 5. Juni 2020 - Die Corona-Krise trifft die gesamte Wirtschaft. Was sind die größten Herausforderungen für die Personalabteilungen?
Schmitz: Die größte Schwierigkeit ist zunächst einmal die Umstellung von der reinen Büroarbeit zum mobilen Arbeiten. Alle Systeme und Funktionalitäten, die bislang nur über die Firewalls im internen Netz funktionieren, mussten nun innerhalb kürzester Zeit auf die Laptops übertragen werden.
Buttmann: Auch das Thema Kurzarbeit hat uns im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht beschäftigt. Wir mussten sowohl die Zeitwirtschafts- als auch Payroll-Systeme erst mal in die Lage versetzen, die Kurzarbeit abzubilden, mit viel Aufwand und Programmierung.
Homeoffice und Digitalisierung sind in vielen Unternehmen plötzlich Alltag. Werden sie das nach dem Lockdown auch aufrechterhalten?
Schmitz: Ich denke schon. Diese positive Erfahrung wird die Arbeitswelt nachhaltig verändern. Bereits vor der Krise war mobiles Arbeiten ein großes Thema.
Buttmann: Personalabteilungen und Führungskräfte sind besonders gefragt, ihre Mitarbeiter bei der Gestaltung mobiler Arbeit zu unterstützen. Es bedarf klarer Absprachen und moderner Collaboration Tools, um mit den Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben und die Zusammenarbeit in den Teams zu unterstützen. Damit die HR-Mitarbeiter diesen Anforderungen in der neuen Arbeitswelt aber auch gerecht werden können, müssen sie von den rein repetitiven, administrativen Aufgaben entlastet werden. Das gelingt mit der Optimierung und Automatisierung der Prozesse durch IT.
Wie weit ist die Digitalisierung im HR-Bereich?
Buttmann: Das ist von Unternehmen zu Unternehmen ganz unterschiedlich, aber der Grad der Digitalisierung ist allgemein im HR-Bereich eher gering. Ein Großteil der Arbeitszeit fließt immer noch in administrative Aufgaben, genauer gesagt: das Suchen, Finden, Bearbeiten und Ablegen von Papierdokumenten. Auf der anderen Seite arbeiten aber auch Unternehmen bereits mit modernen Cloudsystemen, SAP Success Factors ist ein gutes Beispiel dafür.
Schmitz: Hinzu kommt, dass die IT-Systeme im HR-Bereich häufig historisch gewachsen und ohne integrierte Lösungen im Einsatz sind. So nutzen viele nur elementare Stammdatenverwaltung zur Sicherstellung des Gehaltslaufs. Oder haben eine diverse Lösungslandschaft mit unterschiedlichen Tools und Prozessen im Einsatz. Ein Austausch zwischen den Lösungen fehlt aber.
Was sind weitere Pain Points?
Schmitz: Der Klassiker ist immer noch die Digitalisierung von Personalakten, aber auch der Wechsel von Plattformen. Ein großes Thema ist auch der Versand der Lohnabrechnungen, die nicht mehr physisch mit der Post verschickt werden, sondern von dem Mitarbeiter in einem eigenen, individuellen Postfach weltweit abrufbar, elektronisch speicher- oder auch noch ausdruckbar sind.
Buttmann: Nicht nur die Vergütungsabrechnung, sondern auch alle anderen Dokumente die dem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt werden müssen, wie z.B. die Reisekostenabrechnung. Diesen Papierprozess zu ersetzen beinhaltete ein großes Einsparpotenzial und natürlich auch eine erhebliche Prozessverbesserung.
Wie gehen Sie konkret die Projekte beim Kunden an?
Schmitz: Am Anfang steht die Ist-Aufnahme: Mit welcher Infrastruktur und mit welchen Systemen ist die HR-Abteilung unterwegs? Wie sind ihre Prozesse und welche Anforderungen stellen sie an ihr zukünftiges System? Anschließend können wir dann ein Konzept und einen Ablaufplan zusammen mit dem Kunden entwickeln und umsetzen. Wir bauen die neuen Systeme aus und gestalten die Prozesse neu und setzten alles bei laufendem Betrieb sukzessive um. Und wir schauen auch, wo die Pain Points sind und wie wir am schnellsten und am besten helfen können.
Buttmann: Wir unterstützen bei der strategischen Ausrichtung der HR-Systemlandschaft und der IT Architektur und begleiten den Kunden bei der gesamten Transformation der HR-IT und dem Weg in die Cloud. Wir adressieren sämtliche HR-Themen wie die klassische Zeitwirtschaft, Self Services, mobile Apps, detaillierte Personalbedarfsermittlung, anspruchsvolle Einsatzplanung oder strategische Kapazitäts- und Bedarfsplanung. Und wir identifizieren gemeinsam mit unseren Kunden die für die Anforderungen geeigneten Software-Anbieter.
Wie bedeutend ist der Employee Self Service für die HR-Bereiche?
Buttmann: Sie sind sehr wichtig für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Denn die Prozesse haben sich verändert und der Mitarbeiter steht jetzt im Fokus. Er wird von der Personalabteilung nicht mehr verwaltet, sondern steht im Zentrum. Das heißt, die Rollen verschieben sich sehr stark aus dem zentralistischen hin zu einem partizipativen Ansatz.
Schmitz: Die Mitarbeiter werden zunehmend in HR-Prozesse eingebunden. HR-Software-Lösungen beinhalten Employee Self Service-Portale für Mitarbeitende und Manager Self Services für Vorgesetzte. Hierüber können Mitarbeiter manchen Personalprozess selbst managen, der früher HR oblag. Zum Beispiel können sie ihre personalbezogenen Daten selbst anlegen, pflegen oder Urlaubs-Genehmigungsprozesse starten, sich über Weiterbildungsmöglichkeiten informieren und anmelden.
Spielen mit dem Blick in die Zukunft auch die neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) bei HR eine Rolle?
Buttmann: Auf jeden Fall. KI kann Prozesse optimieren und vereinfachen und die Effizienz steigern. Das hilft insbesondere bei repetitiven Aufgaben in der HR. Bei unseren ersten KI-Projekten im HR-Bereich ging es beispielsweise um Themen wie Chat Bots oder die automatisierte Beantwortung von E-Mails mit Fragen, die immer wieder kommen.
Schmitz: Eine KI kann auch die Arbeit von Recruitern erleichtern, beispielsweise durch das maschinelle Auslesen von Lebensläufen, aber auch ganz einfach bei der Terminfindung. Im Sourcing kann sie viele Datenquellen einbeziehen und zum Beispiel Kundenprojekte mit den richtigen Experten besetzen. Neben klassischen Skills-Datenbanken und Rollenbeschreibungen können auch die selbst erstellten Profile der Mitarbeiter berücksichtigt werden. Die Mitarbeiter können hier ihre Wünsche und Ziele für die persönliche Weiterentwicklung hinterlegen. Damit vereinfacht die Automatisierung nicht nur die Arbeit der HR-Abteilung, sondern die Mitarbeiter können sich auch um ihre Karrierepläne kümmern.
Ein Fazit: Worauf kommt es bei der HR-Digitalisierung vor allem an?
Schmitz: Besonders wichtig ist es, den Schwenk zur modernen Arbeitswelt zu gestalten. Dafür ist es unbedingt notwendig, dass auch die Cloud-Lösungen im HR-Bereich Einzug findet. Denn sie eröffnen ganz neue Möglichkeiten, nicht nur für die mobile Arbeit, sondern auch für die Mitarbeiterbindung. Das beginnt beim Recruiting, indem HR virtuelle Führungen durch das Unternehmen anbietet und die Möglichkeit schafft, das zukünftige Team kennenzulernen. Für die Mitarbeiterbindung ist es beispielsweise wichtig, interessante Schulungen anzubieten oder die Möglichkeit zu schaffen, von unterwegs die Reisekostenabrechnung zu erstellen.
Buttmann: Kurz gesagt: Die digitale Transformation der HR ist keine Zukunftsmusik, sondern notwendige Realität.
Lufthansa Industry Solutions ist ein Dienstleistungsunternehmen für IT-Beratung und Systemintegration. Die Lufthansa-Tochter unterstützt ihre Kunden bei der digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Die Kundenbasis umfasst sowohl Gesellschaften innerhalb des Lufthansa Konzerns als auch mehr als 200 Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Norderstedt beschäftigt über 2.100 Mitarbeiter an mehreren Niederlassungen in Deutschland, Albanien, der Schweiz und den USA.