Norderstedt, 15. Februar 2017 – Künstliche Intelligenz ist keine neue Sache, doch jetzt erhält dieses Teilgebiet der Informatik einen neuen Schub. Auf seiner IT-Konferenz Symposium/ITxpo identifizierte Gartner Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning als einen der zehn wichtigsten strategischen Technologietrends für 2017. Cognitive Computing ist auch eines der Themen des 5. Bitkom Big Data Summits, der am 16. Februar 2017 in Hanau stattfindet. Auf dem Summit referieren Dr. Lars Schwabe, Leiter Smart Data Analytics und Experte für Machine Learning bei Lufthansa Industry Solutions und Carsten Breithaupt, Gruppenleiter Enterprise Architecture bei der Deutschen Lufthansa AG, zum Thema „Künstliche Intelligenz bei der Lufthansa und in der Industrie: Einsatzszenarien und KI-Strategie“. Wir haben bei Dr. Lars Schwabe nachgefragt, wie die Wirtschaft von der KI profitiert.
Herr Dr. Schwabe, nach euphorischen Erwartungen vor 20 Jahren und vielen Rückschlägen stehen Künstliche Intelligenz und Machine Learning jetzt wieder im Fokus. Was sind die Gründe dafür?
Das Comeback der Künstlichen Intelligenz ist insbesondere auf die Erfolge des sogenannten Deep Learning zurückzuführen. Dies sind neuronale Netze, wie sie mindestens seit den 1960er Jahren mathematisch untersucht wurden. In den letzten Jahren haben einige methodische Fortschritte, sowie die Verfügbarkeit von Massendaten und Rechenpower zum Trainieren dieser Netze dazu geführt, dass wir mittels neuronaler Netze enorme Fortschritte in der statistischen Signalverarbeitung machen konnten. Dazu zählen insbesondere die Erkennung von gesprochener Sprache, Objekterkennung in komplexen visuellen Szenen und Textverarbeitung. Die wachsende Vernetzung und nahezu unlimitierte Rechenleistung in der Cloud schaffen die Grundlage für neue Dienste und Services.
Wie können Unternehmen von KI profitieren?
Die Methoden der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens finden im Zuge der digitalen Transformation immer mehr den Weg in die Unternehmen. Denn Machine Learning bietet sich besonders für die Analyse großer Datenmengen an. Anhand von Trainings- und Betriebsdaten können IT-Systeme eigenständig wiederkehrende Muster erkennen. Die Erkennung von komplexen Mustern ist Teil von nahezu allen heutigen Anwendungen des Maschinellen Lernens. Das große Potential der Künstlichen Intelligenz für Unternehmen liegt ganz klar in der Automatisierung sowie in der Personalisierung von Produkten und Kundenansprachen. Die selbstfahrenden Autos sind ein sehr sichtbares Beispiel für Automatisierung, wie sie vor nur einigen Jahren undenkbar war. Die Schnittstelle vom Unternehmen zum Endkunden wird zukünftig auch stark von Künstlicher Intelligenz geprägt sein. Die Chatbots sind hier nur ein Beispiel für neue sprachbasierte Schnittstellen. Ein großes Thema wird auch die Archivierung und IT-seitige Aktivierung von Wissen sein, das sich über die Jahre in einem Unternehmen angesammelt hat und meist nur implizit in den Köpfen einiger weniger – und oft bald in den Ruhestand wechselnder Mitarbeiter – existiert.
Wenn von KI die Rede ist, nennt man insbesondere US-amerikanische Unternehmen wie Google und Facebook als Vorreiter. Wie sieht es in Deutschland aus?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass deutsche Forscher in diesem Bereich zur Weltspitze gehören und unsere Studierenden an den Universitäten und Fachhochschulen eine gute Bildung und Ausbildung erhalten, um hier ganz vorne dabei zu sein. Die Voraussetzungen für deutsche Unternehmen sind diesbezüglich gut.
Während die US-Unternehmen stark im B2C-Bereich Dienste anbieten, so sind in Deutschland weit mehr Unternehmen im B2B-Bereich tätig. Deutschland hat hier ein unglaubliches Potenzial und zahlreiche mittelständische Unternehmen, die in ihren jeweiligen Nischen führend sind. Die deutschen Unternehmen müssen natürlich die Schnittstelle zum Kunden gegen die US-amerikanischen Digitalunternehmen verteidigen und darüber hinaus die besonderen Stärken beispielsweise im B2B-Bereich nutzen und ausbauen. Darüber hinaus sollten sie etwas mutiger werden und nicht aus Angst vor einem Scheitern in Schockstarre verfallen.
Dazu gehört insbesondere, im Bereich KI eigene Kompetenzen aufzubauen und eine solche Schlüsseltechnologie nicht komplett an beispielsweise US-amerikanische Dienstanbieter auszulagern. Wenn wir Umsetzungsfreude, den Drang zur Präzision und US-amerikanische Geschwindigkeit kombinieren, dann wird Deutschland eine glänzende wirtschaftliche Zukunft haben. An der jungen Generation wird es nicht scheitern.