Dietmar Focke, zuvor Vorstand der Lufthansa Cargo, wechselte zum 1. November 2024 in die digitale Welt: Als neuer Geschäftsführer der Lufthansa Industry Solutions (LHIND) spricht er im Interview über die Chancen der Digitalisierung, die Notwendigkeit mutiger Investitionen und wie moderne Technologien Unternehmen in globalen Krisen stärken. Künstliche Intelligenz und datenbasierte Zusammenarbeit sind für ihn der Schlüssel, um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen sicherzustellen und Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
„Unternehmen benötigen oft genau die IT-Lösungen, die wir bieten“
Statt mit Palletten, Containern und Frachtflugzeugen hast du es künftig mit Software, IT-Plattformen und KI-Anwendungen zu tun. Was hat dich an deiner neuen Aufgabe als Geschäftsführer der LHIND gereizt?
Vor allem beeindruckt mich die hohe Relevanz und das vielseitige Portfolio der LHIND. Innerhalb und außerhalb der Lufthansa Group greifen Menschen täglich auf zahlreiche Prozesse und Anwendungen zurück, ohne zu ahnen, dass diese von LHIND bereitgestellt werden. Die Nutzung auf mobilen Geräten, Desktops oder Laptops ist so selbstverständlich, dass die zentrale Rolle der digitalen Technologien oft im Hintergrund bleibt. Besonders fasziniert mich die Innovationskraft der LHIND, die jeden Tag durch technologieaffine, zukunftsorientierte und äußerst agile Kolleg:innen neu entfacht wird. Die Kombination aus Agilität, Diversität und internationaler IT-Kompetenz bedeutet ein riesiges Potenzial, die Präsenz der LHIND in der Wirtschaft weiter auszubauen und ihre Position nachhaltig zu stärken.
Angesichts globaler Krisen und Umbrüche hat sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland deutlich abgeschwächt. Was bedeutet das für ein IT-Beratungsunternehmen wie LHIND?
Trotz der angespannten Lage ist die Nachfrage nach Unterstützung bei Digitalisierungsprojekten weiterhin hoch. Gerade in schwierigen Zeiten entstehen Chancen. Unternehmen, die aktuell mit Produktivitätsproblemen kämpfen und global agieren, benötigen oft genau die Lösungen, die wir bieten. Ich bin davon überzeugt, dass gerade in diesen aktuellen Herausforderungen ein enormes Wachstumspotenzial für uns liegt.
Für Unternehmen sehe ich in dieser Zeit des technologischen Wandels eine klare Notwendigkeit, mutiger und strategischer zu investieren. Kurzfristiges Sparen über alle Bereiche hinweg mag in Krisenzeiten verlockend sein. Allerdings fallen diesem „Rasenmäher-Ansatz“ häufig zentrale Innovations- und Schulungsbudgets zum Opfer, die für die Zukunftsfähigkeit essenziell sind. Damit wird die Fähigkeit eingeschränkt, in Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) zu investieren, die den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen. Wer jetzt in zukunftsträchtige Bereiche und in die Weiterbildung der Mitarbeitenden investiert, wird langfristig die Nase vorn haben.
Welche Trends siehst du im IT-Bereich?
In der Digitalisierung und IT zeigt sich ein klarer Trend zu mehr Automatisierung und Effizienz durch KI. Smarte Systeme vereinfachen Prozesse und sparen damit Zeit und Ressourcen. Auch bei umfangreichen Compliance-Anforderungen, etwa durch die EU-Nachhaltigkeitsrichtlinie CSRD, unterstützen sie.
Die zunehmende Komplexität in der Unternehmenswelt führt dazu, dass immer mehr Spezialisten und Abteilungen eingebunden werden müssen, um regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Früher konnten drei Personen ein Projekt abstimmen und durchführen, heute müssen zehn oder mehr Personen zusammenarbeiten, um dasselbe Produkt zu liefern. Die gestiegene Komplexität führt häufig dazu, dass die Effizienz massiv leidet.
Eine Lösung sind datenbasierte Plattformen, die mithilfe von KI die Daten aus verschiedenen Quellen nahezu in Echtzeit konsolidieren und Entscheidungen erleichtern. Der Schlüssel für Produktivitätssteigerungen liegt also in der Kombination aus technologischer Unterstützung und einer engen datenbasierten Zusammenarbeit. Wer diesen Wandel ignoriert, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.
Solche Veränderungen fordern auch immer das Miteinander innerhalb eines Unternehmens heraus. Wie kann Führung im Wandel gelingen?
Der Fokus sollte auf den Mitarbeitenden liegen. Nur jemand, der sich sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld wohlfühlt, ist in der Lage, sein volles Potenzial auszuschöpfen und gute Leistungen zu erbringen. Deshalb sehe ich es als zentrale Aufgabe für Führungskräfte, optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen und eine Unternehmenskultur zu fördern, die die Leistung unterstützt. So können alle Mitarbeitenden sich nicht nur wohlfühlen, sondern ihre Fähigkeiten bestmöglich einbringen.
Zudem ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden offen aussprechen können, was sie für relevant halten – und zwar ganz unabhängig von ihrer Position im Unternehmen. Rollen wirken oft einschüchternd. Mir geht es daher immer darum, den Menschen hinter der Rolle sichtbar zu machen. Das gelingt oft nur im persönlichen Kontakt und erfordert, dass ich bewusst an meiner Ausstrahlung arbeite und Vertrauen aufbaue. So hoffe ich, dass meine Mitarbeitenden nicht nur meine Rolle als neuer Geschäftsführer der LHIND sehen, sondern den Menschen dahinter und sich voll in die Gestaltung von Produkten und der Entwicklung der LHIND einbringen können.
Lufthansa Industry Solutions ist ein Dienstleistungsunternehmen für IT-Beratung und Systemintegration. Die Lufthansa-Tochter unterstützt ihre Kunden bei der digitalen Transformation ihrer Unternehmen. Die Kundenbasis umfasst sowohl Gesellschaften innerhalb des Lufthansa Konzerns als auch mehr als 300 Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Norderstedt beschäftigt über 2.600 Mitarbeitende an mehreren Niederlassungen in Deutschland, Albanien, der Schweiz und den USA.