Experten von Lufthansa Industry Solutions im Gespräch
Digitalisierung ist gegenwärtig der wichtigste Trend in den Unternehmen. Dabei hängt der Erfolg der digitalen Transformation auch vom Digitalisierungsgrad der Partner entlang der Wertschöpfungskette ab. Damit gerät die Supply Chain, in der Logistik-Dienstleister eine herausragende Rolle spielen, in den Blick. Ralf Struckmeier, Vice President Logistics, und Bernhard Kube, Vice President Technology Consulting bei Lufthansa Industry Solutions, erläutern im Interview für die Fachzeitschrift Logistik Heute, welche Auswirkungen die digitale Transformation auf die Supply Chain und Logistik-Branche hat.
Inwiefern ist die Logistik-Branche von der digitalen Transformation betroffen?
Ralf Struckmeier: Die Logistik- und Transport- Branche nimmt eine Sonderstellung in der Supply Chain ein, weil sie an jedem Schritt der Lieferkette, in dem Waren bewegt werden, beteiligt ist. Man kann sagen, der Logistik- Dienstleister sitzt wie die Spinne im Netz der Lieferkette und hält alle Fäden zusammen.
Sind die Unternehmen für diese Herausforderung gewappnet?
Ralf Struckmeier: In unterschiedlichem Maße. Logistik ist nicht gleich Logistik. Die Prozesse in der Container-Schifffahrt, der Luftfracht-Branche, im Bahntransport, dem Lkw-Verkehr oder beim KEP-Dienstleister unterscheiden sich zum Teil erheblich. Dabei ist das Thema der Transparenz der Lieferkette ja nicht neu – erhält aber vor dem Hintergrund der digitalen Transformation eine neue Aktualität.
Wo ist die Digitalisierung der Lieferkette am weitesten vorangeschritten?
Bernhard Kube: In der Kontraktlogistik, etwa der Automotive-Branche, ist die enge IT-technische Integration von Produzent, Zulieferer und Logistik-Dienstleister mit digitalisiertem Datenaustausch schon beispielhaft realisiert. Auch KEP-Dienstleister haben in der Regel einen hohen Digitalisierungsgrad mit enger Anbindung von Lieferanten bis zum Kunden mit Real-Time-Sendungsverfolgung.
Also ist die Logistik-Branche gut aufgestellt?
Bernhard Kube: Die genannten Beispiele sind eher die Ausnahme. Eine aktuelle Studie zeigt, dass noch fast die Hälfte der Unternehmen hauptsächlich Telefon, E-Mail und Fax für die Kommunikation mit den Partnern in der Lieferkette einsetzt. Es gibt noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf – tatsächlich steht die Branche vor einem Umbruch.
Wieso gleich ein Umbruch?
Ralf Struckmeier: Im Zuge von Industrie 4.0, IoT und intelligenter Sensorik werden die Anforderungen der Produzenten an die Logistik- Dienstleister erheblich zunehmen. Dabei geht es etwa um Visibility, proaktive Information und Mehrwert-Dienstleistungen, die der Logistiker erbringen kann. Die Technologien für die Digitalisierung der Lieferkette und der logistischen Prozesse sind vorhanden und praxistauglich – der Logistik-Dienstleister muss sie jetzt aber zügig einsetzen.
Und das stellt die Logistik-Dienstleister vor Herausforderungen?
Bernhard Kube: Ja, denn es bedarf weitreichender Veränderungen, nicht nur in der IT. Die digitale Transformation ist ein langwieriger Optimierungsprozess, der von der IT-Architektur und -Systemlandschaft bis zur Betriebsorganisation, Workflow-Steuerung und der unternehmensübergreifenden Kollaboration alle Bereiche umfassen muss.
Ein Paradigmenwechsel, der vielen sicher nicht leicht fällt?
Bernhard Kube: Der aber unumgänglich sein wird. Es deutet sich an, dass branchenfremde Anbieter in den Logistik-Markt drängen könnten. Und wenn etwa ein Unternehmen wie Amazon sich entschließt, Logistik-Dienstleistungen anzubieten, müssen etablierte Dienstleister mithalten können. Bei Amazon, wie auch bei vielen Start-ups, bildet die „Digitalisierungs-DNA“ gleichsam die Grundlage ihrer Unternehmensphilosophie. Logistik-Anbieter, die sich der digitalen Transformation verweigern, könnten dabei auf der Strecke bleiben.
Viel Arbeit also für die Logistik-Branche?
Ralf Struckmeier: Aber auch große Chancen! Für die Logistik-Branche geht es darum, das Potenzial der neuen Digitalisierungstechnologien in smarte Lösungen und Geschäftsmodelle umzusetzen. Mit intelligenter Sensorik, 3D-Druck, Big Data, Cloud Computing und Kollaborationsplattformen bieten sich vielfältige neue Möglichkeiten. Die Logistiker können sie dazu nutzen, die Rolle des Getriebenen zu verlassen und zu einem Treiber der Digitalisierung zu werden.