Die Einspeisung von regenerativer Energie ins Stromnetz führt zu schwer prognostizierbaren Schwankungen der Lastflüsse. Das stellt Netzbetreiber wie 50Hertz vor große Herausforderungen. Sie müssen Leitungsabschnitte mit teuren Redispatch-Maßnahmen vor Überlastung schützen. Doch die Big-Data-Technologie schafft Abhilfe.
Der Kunde
Wenn es um Betrieb, Instandhaltung, Planung und Ausbau des 220/380-Kilovolt-Übertragungsnetzes im Norden und Osten Deutschlands geht, ist die 50Hertz Transmission GmbH der richtige Ansprechpartner. Das Höchstspannungsnetz von 50Hertz hat eine Länge von rund 10.000 Kilometern und sichert die Netzintegration von etwa 40 Prozent der gesamten in Deutschland installierten Windkraftleistung. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte steht in der 50Hertz-Regelzone eine große Menge regenerativ erzeugter Strom einem geringeren Energieverbrauch gegenüber. Daher transportiert 50Hertz den Energieüberschuss in Ballungszentren im Süden und Westen Deutschlands sowie ins europäische Ausland. An insgesamt acht Standorten erwirtschafteten im Jahr 2016 rund 1.000 Beschäftigte einen Umsatz von 9,5 Milliarden Euro.
Die Herausforderung
Ob Wind, Photovoltaik (PV) oder Biomasse: Die Einspeisung von dezentralen Energieerzeugungsanlagen in das Übertragungsnetz ist nur unzureichend vorhersagbar und planbar. Das liegt unter anderem an kurzfristigen Ausfällen von Windenergieanlagen wegen technischer Defekte oder Wartungsarbeiten. Zudem sind die Informationen zu den einzelnen Anlagen unvollständig. Diese Situation zwingt 50Hertz immer wieder dazu, in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken und dezentralen Erzeugungsanlagen einzugreifen. Diese sogenannten Redispatches verhindern Überlastungen von Leitungsabschnitten und garantieren eine stabile Stromversorgung in der Regelzone. Die Redispatch-Maßnahmen verursachen allerdings auch erhebliche Kosten, allein in den ersten drei Quartalen 2016 lagen diese bei rund 61 Millionen Euro.
Um diese Kosten zu verringern und die Vorhersage von Netz- und Systemzuständen zu verbessern, möchte 50Hertz den Ursachen dezidierter auf den Grund gehen. Denn nur wenn 50Hertz weiß, wie einzelne Wind- oder PV-Anlagen die rund 200 Knotenpunkte (Transformatoren) an etwa 70 Umspannwerken in der 50Hertz-Regelzone belasten, kann der Übertragungsnetzbetreiber bei Überlastung einzelner Netzabschnitte gezielt Gegenmaßnahmen ergreifen.
Die Lösung
Um Zusammenhänge herstellen zu können zwischen den Leistungskurven einzelner Transformatoren und den Umgebungsdaten wie Wetterprognosen oder den Leistungsmessungen von Wind- und PV-Parks, hat 50Hertz ein Big-Data-Projekt gestartet. Gemeinsam mit dem Data Insight Lab von Lufthansa Industry Solutions konnte 50Hertz die Möglichkeiten und Grenzen von Data Analytics als Unterstützung bei den zentralen Herausforderungen in einer digitalisierten Energiewirtschaft ausloten.
Die Expert:innen des Data Insight Lab haben dazu zunächst die Qualität der bereitgestellten Daten beurteilt und ihre Verarbeitung und Analyse geplant. Da die Daten aus vielen verschiedenen Quellen stammen – beispielsweise eigene Anlagen-Stammdaten und Leistungsmessungen der Transformatoren sowie Daten zu Wind- und PV-Parks von externen Netzbetreibern –, war die Zuordnung einzelner Zeitreihen zu den Stammdaten sehr komplex und zeitintensiv.
Danach wurde eine visuelle Darstellung von Transformator-Zeitreihen, sprich die kontinuierliche Reihe der Messungen, erarbeitet. Ausgehend von der Analyse der Zeitreihen, konnten die Expert:innen aus den Ergebnissen im Anschluss Muster ableiten und Gruppierungen anhand verschiedener Eigenschaften vornehmen. Nach dieser Vorarbeit waren die Datenanalysten schließlich in der Lage, die Beziehungen zwischen den Zeitreihen der Transformatoren und den Umgebungsdaten zu untersuchen und ihre Zusammenhänge zu berechnen.
Der Kundennutzen
Für 50Hertz war das Projekt der Einstieg in Big Data und Data Analytics. Durch die Zusammenarbeit mit den Expert:innen des Data Insight Lab von Lufthansa Industry Solutions konnte der Übertragungsnetzbetreiber das Potenzial von Big Data ausloten, um abzuschätzen, ob sich langfristig die Datenanalyseprozesse beim Übertragungsnetzbetreiber verbessern lassen. Und das mit einem überschaubaren finanziellen und personellen Aufwand: Denn die Infrastruktur und die Expertise von Daten-Architekt:innen und -Analyst:innen wurde von Lufthansa Industry Solutions zunächst lediglich für den Projektzeitraum von sechs Monaten eingebracht.
Mithilfe von statistischen Methoden konnte 50Hertz gemeinsam mit Lufthansa Industry Solutions seine bisherigen Erfahrungswerte validieren und datenbasiert auf ein solides Fundament stellen. Außerdem hat 50Hertz einen guten Eindruck über die Qualität der eigenen Daten und die der Netzbetreiber erhalten und daraus bereits erste Maßnahmen abgeleitet – zum Beispiel ein kontinuierliches Monitoring der Datenqualität.